Neuer Studiengang Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit

27.06.2025 Magazin

Menschen in herausfordernden Lebenssituationen empowern.

Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit – so heißt ein neuer Bachelorstudiengang, den die Hochschule Bochum entwickelt hat. „Der Studiengang wurde mit Blick auf die Zunahme sozialer Ungerechtigkeiten, die diesbezüglich seit Langem bekannten Zusammenhänge mit der Gesundheit von Menschen und die ausgewiesene Expertise unseres interdisziplinären Community-Health-Teams konzipiert. Die gesundheitsbezogene Soziale Arbeit mit ihrer nach wie vor primär sozialarbeitswissenschaftlichen Perspektive ist unter Berücksichtigung gesundheitlicher Fragen auf die individuelle Beratung, Begleitung und Unterstützung sowie soziale Teilhabe von Menschen in ihrer Lebenswelt hin ausgerichtet. Im Vergleich zur traditionellen Sozialen Arbeit werden die Studierenden jedoch zusätzliche Perspektiven und Qualifikationen hinsichtlich gesundheitsbezogener Themen und Herausforderungen erlangen. So bezieht sich in diesem Kontext eine Säule des Studiengangs auf den Bereich Public Health, also auf die Gesundheit der gesamten Bevölkerung und ihre Förderung sowie die Verhinderung von Krankheiten. Es werden darüber hinaus sozialmedizinische, psychologische und gesundheitsökonomische Zusammenhänge thematisiert. Diese spezifische Ausrichtung ist in Nordrhein-Westfalen einzigartig“, erläutert Prof. Dr. Anna Mikhof, Prodekanin des Fachbereichs Gesundheitswissenschaften. Starten wird der Studiengang zum Wintersemester 2025/26. Im Interview gibt Jan Josupeit, Lehrkraft für besondere Aufgaben und künftiger Studiengangsleiter, weitere Einblicke ins Studium.

Was ist Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit?

Jan Josupeit: Die Soziale Arbeit ist eine Profession und eine Wissenschaft, die sich für die Rechte von Menschen einsetzt, sie sichert und schützt. Sozialarbeiter*innen arbeiten eng mit benachteiligten Menschen aller Altersgruppen zusammen, die sie unterstützen, beraten und begleiten. Ziel der Sozialen Arbeit ist gerechte Lebensbedingungen für die Menschen zu schaffen, sie zu unterstützen, ein weitestgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Benachteiligungen können in Bezug auf Bildung, Einkommen, Flucht- und Migrationserfahrung, sexuelle Orientierung, das Lebensalter, Geschlecht oder eine Behinderung bestehen. Wissenschaftliche Studien belegen, dass insbesondere mit einer sozio-ökonomischen Benachteiligung auch gesundheitliche Beeinträchtigungen zusammenhängen. Zusätzlich kann beides die Teilhabe von Menschen am gesellschaftlichen Leben einschränken. Die gesundheitsbezogene Soziale Arbeit fokussiert sich genau auf die Menschen, die von sozialer Ungerechtigkeit betroffen sind, die zugleich mit ungleichen Gesundheitschancen einhergeht. Es geht darum Menschen zu stärken und so Teilhabe zu fördern und zu sichern. Der Studiengang zielt auf die Vermittlung professioneller Kompetenzen zur Reduktion sozialer Problemlagen sowie sozialer Ungleichheit und möchte den Studierenden Wissen an die Hand geben benachteiligte Menschen zu empowern und die Gesundheit von Jung bis Alt zu stärken – gerade in herausfordernden Lebenssituationen.

Der Studiengang beleuchtet Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention im Kontext Sozialer Arbeit?

Jan Josupeit: Ja, wobei wichtig ist, dass die Gesundheitsförderung und Prävention Kernaspekt der Gesundheitswissenschaften und somit, trotz der Schwerpunktsetzung unseres Studiengangs nur Teil des Studiums ist. Die Studierenden lernen Gesundheit als einen wichtigen, aber auch nicht den einzigen Faktor für gesellschaftliche Teilhabe und soziale Gerechtigkeit kennen. Die Studierenden beschäftigen sich mit der Gesundheit von einzelnen Personen und unterschiedlichen Zielgruppen wie Kinder und Jugendliche, ältere Menschen, Menschen mit verschiedener sozialer Herkunft oder unterschiedlichen Beeinträchtigungen. Sie sollen Wissen über die unterschiedlichen Ausprägungen und Zusammenhänge sozialer Ungleichheiten erwerben, individuelle, soziale und umweltbedingte Einflussfaktoren auf die Gesundheit kennenlernen. In ihrer späteren Arbeit mit Menschen, sollen sie dieses Wissen gezielt analytisch und zur Interventionsplanung einsetzen. Die Studierenden lernen im Studiengang methodische und theoretische Zugänge der Sozialen Arbeit, mit denen komplexe soziale Lagen verstanden, bearbeitet und transformativ begleitet werden können – beispielsweise durch Beratung, Einzelfallhilfen, Gruppenangebote, aber auch sozialraumorientierte Arbeit oder Gemeinwesenarbeit.

Wie ist der Studienverlauf konzipiert?

Jan Josupeit: Der Studiengang ist auf sieben Semester angelegt und hat sieben grundlegende Säulen. Zuerst sollen die Studierenden ein Verständnis dafür entwickeln, was Soziale Arbeit ist. Was für klassische Theorieansätze existieren und welche Methoden werden vermehrt in der Sozialen Arbeit verwendet? Die zweite Säule ist das wissenschaftliche Arbeiten, hier möchten wir uns neben wissenschaftlichem Denken und Arbeiten Methoden der Gesundheits- und Sozialforschung anschauen. Wie wird ein wissenschaftlicher Fragebogen erstellt? Wie wird im Zuge von Befragungen Kontakt mit Menschen aufgenommen? Die Studierenden sollen hier zum Beispiel lernen Umfragen und Evaluationen durchzuführen. Die dritte Säule beinhaltet rechtliche Grundlagen. Dort wollen wir das Sozialgesetzbuch und das Bürgerliche Gesetzbuch aufschlagen und uns auch Auszüge des Strafrechts ansehen. Die Säule soll den Studierenden juristisches Wissen über Hilfen in Bezug auf das Älterwerden, Zuwendungen im Falle einer Behinderung oder berufliche Eingliederung vermitteln. Die vierte Säule nimmt Diversity und Inklusion in der Sozialen Arbeit in den Fokus, verdeutlicht gesellschaftliche Benachteiligungen und Methoden der Gesundheitsförderung und Prävention in deren Kontext. Diversity hat den Anspruch auf sozialer Ebene zu schauen, durch welche individuellen Merkmale eine Person oder Gruppe gekennzeichnet ist und niemanden aufgrund dieser Merkmale zu diskriminieren, zu benachteiligen oder auszugrenzen. 

Und die weiteren Säulen?

Jan Josupeit: Wir schauen uns das große Forschungsfeld Public Health an, die Lehre zur Vorbeugung von Krankheiten, Verlängerung des Lebens und Förderung der Gesundheit auf Ebene der Bevölkerung. Hier lernen die Studierenden, wie Gesundheit im Gesundheitssystem produziert und finanziert wird. Sie lernen verschiedene Zugänge zu Gesundheit sowie Hintergründe zur Versorgung von Menschen, die sie zum Beispiel bei der Interventionsplanung oder auch in Beratungsgesprächen, etwa im Zusammenhang mit Fragestellungen zur Pflege, verwenden können. Und die letzte Säule umfasst eine Einführung in die Psychologie. Es gibt gesundheitliche Unterschiede zwischen Menschen, die durch psychische Faktoren bedingt sind und die zum Beispiel damit zusammenhängen können, ob die Person eher introvertiert oder extrovertiert ist. Studien belegen, dass Männer seltener präventiv aktiv werden als Frauen, wir schauen uns die psychologischen Faktoren an, also zum Beispiel die Rolle von Wahrnehmung oder auch Gedanken, die unser Verhalten bedingen, teilweise auch ohne, dass wir das bewusst merken. Wir schauen uns aber auch an, wie Menschen in der Umgebung anderer Menschen agieren, zum Beispiel im Kontext von Gruppen. Über die Grundlagen- und Aufbauphase hinaus ist der Studienverlauf zudem so konzipiert, dass die Studierenden auch die Möglichkeit erhalten sollen, individuelle Schwerpunkte zu wählen.

Sind Praxisphasen im Studium geplant?

Jan Josupeit: Ja, auch, weil das die Voraussetzung für die von uns als Hochschule angestrebte Verleihung der staatlichen Anerkennung als Sozialarbeiter*in ist, die Studierende neben dem Bachelor of Arts dann erwerben könnten. In den Praxisteilen können Studierende ihre erworbenen Kenntnisse vertiefen. Dabei werden sie vom Fachbereich begleitet, um Erfahrungen reflektieren zu können. Außerdem sollen die Studierenden in den Skills-Labs, den praxisnahen Lehrräumen am Gesundheitscampus, auf die Praxiseinsätze vorbereitet werden.

Was sollten Studieninteressierte mitbringen?

Jan Josupeit: Motivation mit Menschen in herausfordernden Lebenssituationen zu arbeiten und Mut sich in dem Studium auch mit sich selbst zu beschäftigen. Wer bin ich? Was habe ich für Einstellungen? Was empfinde ich als sozial gerecht oder ungerecht? Studieninteressierte sollten Lust haben darauf Antworten im Studium zu finden, sich diesen Erkenntnissen später im Beruf bewusst sein und sie bedenken. Die soziale Wahrnehmung wird durch unsere Psyche bedingt. Wir denken häufig, dass wir beim ersten Treffen mit einer Person viel über sie wissen, obwohl wir über viele der wahrgenommenen Informationen gar nicht verfügen können. In der Sozialen Arbeit gilt es diesen Prozess bei sich selbst zu erkennen und entsprechend die eigene Wahrnehmung und das eigene Verhalten stetig zu reflektieren. Außerdem sollten Studieninteressierte Spaß daran haben sich mit dem Thema Wissenschaft zu beschäftigen und ihr gegenüber offen und bereit sein eine vorherige Meinung auch einmal zu revidieren. Zu guter Letzt sollten Studieninteressierte Lust haben sich auf ein Studium in großer Freiheit einzulassen. Die Studierenden sind der Hauptdirigent in dem, was sie lernen. Übrigens ist der Studiengang gleichermaßen für Abiturient*innen konzipiert, die frisch von der Schule kommen als auch für erfahrene Fachkräfte, die aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse hinzugewinnen und einen akademischen Grad erlangen möchten. Mittelfristig möchten wir den Studiengang auch für internationale Studierende öffnen, indem Veranstaltungen im Wechsel auf Deutsch oder Englisch angeboten werden, sodass auch hier nach eigenen Präferenzen gewählt werden kann.

Wie sind die Zukunftsaussichten und wo sind mögliche Einsatzfelder für Absolvent*innen?

Jan Josupeit: Der Fachkräftemangel in der Sozialen Arbeit ist groß, daher sind die Zukunftsaussichten gut. Die Absolvent*innen können in der Sozialpsychiatrie, der Suchthilfe, der Sexualberatung, der Arbeit mit Asylbewerber*innen und Geflüchteten, der Straffälligenhilfe, der Sozialplanung und dem Sozialmanagement, bei Wohlfahrtsorganisationen sowie in Beratungsstellen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen tätig sein. Potenzielle Aufgabenfelder sind unter anderem die Gesundheits- und Sozialberatung, die Gesundheitsförderung und Prävention, die Sozialraumgestaltung und Quartiersentwicklung, die Kinder- und Jugendhilfe, die Eingliederungshilfe wie die Bereiche Ambulante Hilfen und Unterstützungsdienste, Interdisziplinäre Frühförderung oder Pflege- und Teilhabeberatung. Mit dem spezifischen Gesundheitsprofil in der Sozialen Arbeit bieten sich vielfältige Berufschancen im Gesundheits- und Sozialwesen.


Das Interview führte Daniela Schaefer, Online-Redakteurin