Studium Gesundheitswissenschaften: Gesundheit fördern, Erkrankungen entgegenwirken

20.08.2025 Magazin

Mit neuem Studiengang Gesundheitsverhalten stärken und gesunde Lebensbedingungen gestalten.

Wie kann darauf hingewirkt werden, dass alle Menschen gleichermaßen ihr größtmögliches Potenzial an Gesundheit verwirklichen können? Genau dieser Frage geht der neue Bachelorstudiengang Gesundheitswissenschaften der Hochschule Bochum nach, der zum Wintersemester 2025/26 startet. „Der Studiengang greift auf den Community-Health-Ansatz zurück. Die Studierenden lernen die Bedarfe von gesundheitlich benachteiligten Gruppen zu identifizieren und durch passende Konzepte und Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Versorgung und ihrer Gesundheit beizutragen. Die Ausrichtung des Studiengangs auf Community Health, als eine sich in Deutschland etablierende Teildisziplin von Public Health, ist einzigartig“, sagt Prof. Dr. Anna Mikhof. Die Prodekanin des Fachbereichs Gesundheitswissenschaften und künftige Studiengangsleiterin gibt gemeinsam mit Studiengangskoordinatorin Nadine Naurath Einblicke ins Studium.

Warum wurde der Bachelorstudiengang Gesundheitswissenschaften konzipiert? 

Prof. Dr. Anna Mikhof: Der neue Studiengang Gesundheitswissenschaften ist eine Weiterentwicklung der drei bisherigen gesundheitswissenschaftlichen Studiengänge ‚Gesundheit und Diversity‘, ‚Gesundheit und Sozialraum‘ sowie ‚Gesundheitsdaten und Digitalisierung‘. Ihre zentralen Inhalte wurden in das neue Studienangebot integriert. Das Studium Gesundheitswissenschaften greift die in der heutigen Gesellschaft und besonders nach der Pandemie verstärkt in den Fokus gerückten essentiellen Themen Gesundheitsförderung und Prävention von Erkrankungen sowie die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung und die Gestaltung des Gesundheitssystems auf – immer unter Berücksichtigung von Community Health. Das heißt, mit Blick auf die Gesundheit von benachteiligten beziehungsweise wenig in der Gesundheitsversorgung beachteten Bevölkerungsgruppen. Die Studierenden erlangen ein breit gefächertes Repertoire an Interventionsansätzen aus den Gesundheitswissenschaften, die sie befähigen unter anderem gesunde Lebensbedingungen zu gestalten und Versorgungsstrukturen zu optimieren. Aktuelle Entwicklungen zum Beispiel mit Blick auf Digitalisierung, gesellschaftliche Diversifizierung oder das Potenzial unserer Umgebung für die Gesundheit werden praxisnah vermittelt, um verhältnis- und verhaltensorientierte Perspektiven zu ermöglichen sowie eine gleichberechtigte, gesundheitliche und soziale Teilhabe für verschiedene Gruppen mit ihren spezifischen Bedarfen zu stärken. In den Studiengang fließt die forschungsbasierte und praxisbezogene Expertise aus den interdisziplinären Lehr- und Forschungsgebieten unserer Kolleg*innen ein. Die Entwicklung des Studiengangs berücksichtigt zudem auch Wünsche von Studierenden wie zum Beispiel sich erst im Laufe des Studiums stärker zu spezialisieren, flexible und individuelle Studienmöglichkeiten sowie mehr Wahloptionen zu haben.

Ein Fokus im Studium ist Gesundheitsförderung: Wie werden Studierende an das Thema herangeführt?

Nadine Naurath: Die Studierenden lernen, wie Gesundheit aus verschiedenen disziplinären Perspektiven zu verstehen ist und welche Folgerungen sich daraus für die Gesundheitsförderung bestimmter Zielgruppen ergeben. Gemäß der Ottawa-Charta für Gesundheitsförderung, die 1986 von der Weltgesundheitsorganisation verabschiedet wurde, soll Gesundheitsförderung „allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit ermöglichen und sie befähigen, ihre Gesundheit zu stärken“. Die Studierenden beschäftigen sich unter anderem mit Strategien, die Menschen dazu befähigen, ihre direkte Lebensumwelt mitzugestalten, wir sprechen in diesem Zusammenhang von Empowerment. Sie lernen Angebote zur gezielten Förderung einer gesunden Lebensweise zu entwickeln, umzusetzen und auszuwerten, die auf die Bedürfnisse verschiedener Zielgruppen zugeschnitten sind. Dazu gehören Angebote unter anderem für Jugendliche, junge Erwachsene, ältere Menschen, Menschen mit Beeinträchtigung oder Menschen mit Migrationshintergrund.

Ein weiterer Fokus im Studium ist die Prävention von Erkrankungen: Welches Fachwissen erwerben die Studierenden dazu?

Prof. Dr. Anna Mikhof: Prävention umfasst alle Ansätze, die gezielt zur Reduktion von gesundheitlichen Risiken und Krankheitsbelastungen eingesetzt werden. Die Studierenden erlernen mit Blick auf bestimmte Erkrankungen und Vulnerabilitäten geeignete Präventionsmaßnahmen, die sich zum Beispiel auf körperliche Aktivität, Stressreduktion oder gesunde Ernährung beziehen. Dabei erlangen sie vertieftes Wissen hinsichtlich der Ziele, Vorgehensweisen, zentralen Feldern, zu beteiligenden Akteur*innen, Herausforderungen und Grenzen sowie Wirkungen der primären, sekundären und tertiären Prävention. Prävention steht eng mit der Gestaltung gesunder Lebensbedingungen in Verbindung und diese Gestaltung umfasst sowohl den individuellen Lebensstil als auch die Umstände beziehungsweise das Umfeld, in denen Menschen aufwachsen, leben und arbeiten. Verhältnisbezogene präventive Maßnahmen können gesundheitsfördernde Interventionen in der Praxis komplettieren. In diesem Zusammenhang lernen die Studierenden settingbezogene Ansätze kennen, die auf eine Veränderung der Umgebung ausgerichtet sind und auf die Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebenswelten und Strukturen abzielen. Settings sind zum Beispiel Stadtteile, Betriebe oder Arbeitsstätten, Schulen, Pflegeeinrichtungen, die häusliche Umgebung, Kindergärten wie auch Nachbarschaften. Diese Herangehensweise impliziert, dass Gesundheit nicht allein durch individuelle Aspekte wie Entscheidungen und Verhaltensweisen, sondern auch eingehend durch die Lebensumstände geprägt wird wie zum Beispiel die Verfügbarkeit von Grünflächen zur gesunden Freizeitgestaltung oder von Bewegungsangeboten, die gesundheitsbewusste Entscheidungen erleichtern. Dabei lernen die Studierenden, betroffene Personen an allen Prozessen aktiv zu beteiligen. Hierdurch sollen nachhaltig wirksame gesundheitsbezogene Veränderungen beziehungsweise an der Lebensrealität der Menschen orientierte, verbesserte Gesundheitschancen erreicht werden.

Können Studierende eigene Schwerpunkte im Studium wählen?

Nadine Naurath: Ja, das Vollzeitstudium ist auf sechs Semester angelegt, das Studium in Teilzeit ist in neun Semestern möglich. Die Themen, die die Studierenden besonders interessieren, können sie in der Studienabschlussphase vertiefen. Dazu werden zwei aus acht möglichen Schwerpunkten nach den eigenen Interessen gewählt. Im Schwerpunkt ‚Gesundheitsdaten und Digitalisierung‘ lernen Studierende Chancen und Risiken von innovativen Technologien wie Roboterassistenten und digitalen Diensten in der gesundheitlichen Versorgung sowie in angrenzenden und gesundheitsrelevanten Lebensbereichen aus der Perspektive verschiedener Nutzer*innengruppen zu verstehen und zu bewerten. Sie beschäftigen sich mit der Frage, welche Gesundheitstechnologien im Alltag unterstützend sein können. Im Schwerpunkt ‚Gesundheit, Umwelt, Sozialraum‘ beschäftigen sich die Studierenden hingegen mit dem Zusammenhang zwischen individuellen Lebensbedingungen, Sozialräumen und der Gesundheit. Sie lernen, wie sich das direkte Wohnumfeld, vorhandene Versorgungsstrukturen, soziale Netzwerke und umweltbedingte Faktoren auf die Gesundheit auswirken und wie diese gestaltet werden müssen, um gesunde Lebenswelten zu schaffen. Weitere Schwerpunkte thematisieren Gesundheit in der Lebensspanne, Inklusion und Lebenswelten, Bildung und Alter, Gesundheitliche Ungleichheit und Diversität sowie Forschungsmethoden und die Beratung.

Sind Praxisphasen in das Studium integriert?

Nadine Naurath: Das Studium zeichnet sich über alle Module hinweg durch praxisnahes Lehren und Lernen aus. Unsere Skills-Labs, die praxisnahen Lehrräume am Gesundheitscampus, unterstreichen das anwendungsbezogene Lehren und Lernen, indem sie Themen wie Barrierefreiheit und Inklusion in verschiedenen Lebensbereichen oder digitale Methoden der partizipativen Sozialraumanalyse aufgreifen. Es wird Kooperationen mit Praxispartner*innen in kurz- und langfristigen Projekten geben, die Studierenden werden selbständig Bedarfe von Communities eruieren, für bestimmte Zielgruppen Maßnahmen entwickeln, die zum Beispiel deren Gesundheit fördern sollen und lernen, diese gesundheitsförderlichen Maßnahmen in der Praxis auch zu überprüfen. Darüber hinaus wird in einem Lehrforschungsprojekt ein besonderer Fokus auf die praktische Anwendung des erlernten theoretischen und methodischen Wissens gelegt. 

Inwiefern? Welche Kompetenzen erwerben die Studierenden in dem ins Studium integrierten Lehrforschungsprojekt? 

Prof. Dr. Anna Mikhof: Es handelt sich dabei um ein Forschungsprojekt, das von den Studierenden im Team oder einzeln bearbeitet wird und sich über ein ganzes Semester erstreckt. Die Studierenden können dort ihre zuvor erworbenen Kenntnisse über qualitative und quantitative Forschungsmethoden der Gesundheitswissenschaften sowie Mixed-Methods-Ansätze praktisch und in Bezug auf eine konkrete Forschungsfrage aktiv anwenden. Lernziel ist es, geeignete Forschungsmethoden auswählen, anwenden, die empirisch gewonnenen Erkenntnisse reflektieren und bewerten zu können sowie daraus Lösungsansätze in Bezug auf die konkrete Forschungsfrage zu entwickeln. Bei uns als Hochschule für Angewandte Wissenschaften haben die Studierenden die Möglichkeit, in den Projekten mit unseren Netzwerk- und Praxispartner*innen der Region zusammenzuarbeiten – wir vernetzen Studierende, Institutionen und Wirtschaft. Die Forschungsprojekte sind in verschiedenen Praxisfeldern angesiedelt, sodass die Studierenden Einblicke in unterschiedliche Anwendungsbereiche empirischer Forschung gewinnen können. Beispiele solcher Forschungsprojekte aus der Vergangenheit sind: Barrierefreiheit im Job Center, Wegefindung und Leitsystem für Patient*innen in einem großen Krankenhauskomplex und Einsatz von Virtual-Reality-Technologien in Ausbildungskontexten. Die Studierenden arbeiten dann über das Semester hinweg in enger Abstimmung mit den Praxispartner*innen an ihren eigenen Projektideen. Begleitet werden sie dabei intensiv von ihren Professor*innen, in den drei genannten Fällen waren dies: Frau Prof. Dr. Dr. Saskia Jünger, Herr Prof. Dr. Marcus Kutschmann und Frau Prof. Dr. Michaela Ludewig. Am Ende des Semesters stellen sie ihre Ergebnisse in einer Abschlussveranstaltung den Praxispartner*innen, ihren Kommiliton*innen, den Lehrenden sowie weiteren interessierten Studierenden und Lehrenden der Hochschule vor.

In welchen Bereichen können Absolvent*innen des Studiengangs unter anderem tätig sein?

Nadine Naurath: Das Studium bietet breite Beschäftigungsmöglichkeiten, zum Beispiel in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, gesundheitsbezogenen Beratungsstellen, bei Kranken- und Sozialversicherungen, im öffentlichen Gesundheitsdienst, in privatwirtschaftlichen Unternehmen sowie in Bildungs- und Forschungseinrichtungen. Absolvent*innen können zum Beispiel als Diversitymanager*in, Referent*in für die Planung und Konzeption von Versorgungsprogrammen, Beauftragte*r für betriebliches Gesundheitsmanagement, Gesundheitsberichterstatter*in oder Mitarbeiter*in im Bereich Reformvorschläge für das Gesundheitssystem in der Politikberatung tätig sein. Typische Tätigkeitsbereiche sind unter anderem: Gesundheitsförderung und Prävention, Unterstützung von Patient*innen-Empowerment, Analyse und Auswertung von zielgruppenspezifischen Bedarfen, Bedürfnissen und Zugangsbarrieren in der gesundheitlichen Versorgung, Planung und Umsetzung von diversitätssensiblen Versorgungskonzepten, kommunale Gesundheitsplanung wie auch Digitalisierung im Gesundheitswesen.

Was sollten Studieninteressierte für das Studium mitbringen?

Prof. Dr. Anna Mikhof: Leidenschaft für Gesundheitsthemen und Interesse an der Verknüpfung verschiedener gesundheitsbezogener Perspektiven wie zum Beispiel aus der Gesundheitsförderung, Gesundheitspädagogik, Gesundheitspolitik, Umwelt und Gesundheit, Gesundheitspsychologie, Gesundheitsökonomie oder auch Vielfalt und Gesundheit. Die Studierenden sollten Offenheit sowie eine wertschätzende Haltung gegenüber Menschen mit verschiedenen Diversitätsmerkmalen mitbringen, Interesse daran haben Gesundheitsfragen aus unterschiedlichen Perspektiven innovativ und praxisnah zu betrachten und an der Verbesserung der Gesundheitsförderung und Prävention aktiv mitzuwirken. Darüber hinaus sollten sie Spaß daran haben theoretisches Wissen in bedarfsorientierte Lösungen umzuwandeln, die Lebenswelten der betroffenen Menschen ressourcenorientiert zu verändern und mit ihnen gemeinsam zu wachsen.


Das Interview führte Daniela Schaefer, Online-Redakteurin