Thilo Falkenberg hat an der Hochschule Bochum den Bachelorstudiengang Vermessung und den Masterstudiengang Geodäsie absolviert. Heute leitet er als Städtischer Vermessungsrat im Fachbereich Geoinformation und Liegenschaftskataster der Stadt Hagen die Abteilung für Amtliche Vermessung, Grundstücksbewertung und Bodenordnung. In der Interview-Reihe „Sprungbrett Hochschule“ blickt Thilo Falkenberg auf sein Studium zurück und berichtet aus seinem heutigen Berufsleben.
Warum die Studiengänge …
Eine Kindergarten-Freundin studierte im Bachelorstudiengang Vermessung und erzählte mir von den spannenden Fragestellungen, mit denen sich dieses Fachgebiet beschäftigt: Wie kann mittels Satellitentechnik die Erde abgebildet werden? Wie lässt sich ein Land vermessen? Wie werden die Grenzen eines Grundstücks gesetzt und wie hoch ist sein Wert heute? Mir war schnell klar: Das ist mein Studiengang. Denn auf all die Fragen und noch viele mehr finden wir in der Vermessung präzise Antworten und das Schöne ist, man hat den Praxisbezug im Studium immer sehen können. Das breite Feld der Vermessungstechnik hat mich so sehr fasziniert, dass ich mein Bachelorstudium direkt mit einem Masterstudium vertiefen wollte. Der Master hat meine Perspektive noch einmal erweitert, zum Beispiel in Bezug auf Building Information Modeling, kurz BIM. Die Idee hinter BIM ist, die Arbeitsprozesse bei einem Bauprojekt in Datenstrukturen abzubilden und die Daten allen beteiligten Gewerken – Planungsingenieur*innen, Bauingenieur*innen, Architekt*innen und Vermessungsingenieur*innen – zur Verfügung zu stellen. BIM ist heute noch nicht flächendeckend etabliert, der Gedanke der ganzheitlichen Betrachtung eines Bauprojektes setzt sich aber mehr und mehr durch. Die Methode als Studierender kennenzulernen, bevor sie in der Breite in der Berufspraxis etabliert ist, gab mir einen Wissensvorsprung. Für mich war das Studium definitiv die richtige Entscheidung.
Was nach dem Studium geschah …
Mit dem Masterabschluss habe ich ein zweijähriges technisches Referendariat mit der Fachrichtung Geodäsie und Geoinformation bei der Bezirksregierung Arnsberg absolviert. Das im Studium erworbene Fachwissen konnte ich dort in der Verwaltungspraxis anwenden und zugleich erste Managementkenntnisse vertiefen. Das Referendariat qualifiziert für eine Leitungsfunktion im öffentlichen Vermessungswesen. Im Anschluss habe ich ein knappes Jahr als Städtischer Vermessungsrat die Abteilung Vermessung der Stadt Paderborn geleitet, bevor ich zur Stadt Hagen gewechselt bin. Dort leite ich seit fast einem Jahr die drei Bereiche Amtliche Vermessung, Grundstücksbewertung und Bodenordnung im Fachbereich Geoinformation und Liegenschaftskataster.
Mein heutiger Berufsalltag …
ist sehr abwechslungsreich. Wir führen viele Vermessungen durch, zum Beispiel, wenn zur Bereitstellung notwendiger Verkehrsflächen für öffentliche Wege die örtliche Topografie neu erfasst werden soll oder wenn beim Kanal- oder Straßenbau Geodaten erfragt werden, die Aufschluss darüber geben, woher eine vor Ort verlegte Leitung exakt verläuft. Im Hagener Stadtgebiet vermessen wir Grundstücke von Privatpersonen, die zur Bebauung eine genaue Feststellung der Grundstücksgrenzen benötigen oder die beabsichtigen, Grundstücksteile zu veräußern. In meinen Aufgabenbereich fällt aber zum Beispiel auch die Beschaffung neuer Vermessungsinstrumente. Im Bereich der Bodenordnung beschäftigen wir uns unter anderem damit, wie Grundbesitz zum Beispiel vor dem Hintergrund städtebaulicher Entwicklungen neu zu ordnen ist. Angenommen die Stadt möchte eine neue Straße bauen, wo private Grundstücke entlang verlaufen. Instrumente der Bodenordnung können dann zur Neugestaltung von Grundstücksverhältnissen verhelfen. Darüber hinaus führen wir Grundstücksbewertungen durch. Auch hier gibt es unterschiedliche Gründe ein Grundstück bewerten zu lassen. Zum Beispiel, wenn eine Privatperson das Grundstück geerbt hat und zur Vermögensabschätzung seinen verlässlichen Wert ermitteln lassen möchte oder wenn ein Grundstück veräußert werden soll. Auf Ortsterminen schauen wir uns öffentliche oder private Grundstücke genau an und bewerten das Grundstück unter anderem anhand seiner Lage, seiner Form, der Ausgestaltung des Baukörpers oder auch anhand verfügbarer Grundrisse.
Das habe ich aus meinem Studium mitgenommen …
Viel Wissen, von dem ich heute im Berufsalltag profitiere. Selbst das wir am Anfang des Studiums Messverfahren betrachtet haben, die vor Jahrzenten benutzt wurden, hilft mir heute weiter, zum Beispiel, wenn auf Grundlage alter Vermessungen, heute eine neue Vermessung durchgeführt werden soll. Dann ist es relevant, wie die Ergebnisse entstanden und wie diese heute zu bewerten sind, insbesondere in Bezug auf die Frage, wo bei damaligen Verfahren in der Genauigkeit der Ergebnisse Abstriche gemacht werden müssen. Es gibt immer wieder Situationen im Dienstalltag, wo ich auf dieses technische Wissen zurückgreife. Ich habe viel über Projektplanung gelernt und die Hochschule hat meinen Horizont für nachhaltige Fragestellungen in der Geodäsie, insbesondere auch zur Technikfolgenabschätzung erweitert. Was mich aber besonders geprägt hat, ist die interdisziplinäre Ausrichtung des Masterstudiums. Als Vermessungsingenieur*in studierten wir mit Architekturstudent*innen und Student*innen des Bauingenieurwesens zusammen, wodurch wir frühzeitig ein Verständnis füreinander entwickelt haben. Bestes Beispiel: Als Vermesser kann man alles bis auf unter einem Millimeter bestimmen. Doch sind die Maße für die Kolleg*innen der Architektur oder des Bauwesens nutzbar, um darauf aufbauend eine Tragwerksplanung durchzuführen? Solche Diskussionen haben gut auf den Berufsalltag vorbereitet.
Erinnerungen an meine Studienzeit …
Ich hatte eine schöne Studienzeit, mit motivierten Kommiliton*innen, mit denen ich in Gruppenarbeiten und vermessungstechnischen Übungspraktika knifflige Aufgaben gelöst habe und Professor*innen, die durch die Bank weg ansprechbar waren und für Fragen zur Verfügung standen. Es kam schon mal vor, dass man über seinen eigenen Schatten springen musste, wenn man eine Professorin oder einen Professor ansprach, die oder den man zunächst mit etwas Ehrfurcht angeschaut hatte. In der Unterhaltung hat man aber schnell gemerkt, dass sie menschlich und für Hilfestellungen erreichbar sind. Was mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, ist die Mitarbeit an der Vermessung und Überwachung der Christuskirche in Schwelm. Die Kirche beginnt sich aufgrund von Veränderungen im Untergrund zu verformen. Als Student vor Ort bei den Untersuchungen dabei zu sein, das bleibt im Gedächtnis.
Mein Tipp für Studierende …
Offen zu bleiben und sich nicht vor Fachgebieten zu verschließen, zu denen man auf den ersten Blick keinen direkten Bezug findet. Im Arbeitsleben kann es auf den zweiten Blick und in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen auf einmal ein durchaus bereicherndes Fachgebiet sein. Mein Tipp ist, sich im Studium nicht zu sehr in eine Richtung zu spezialisieren und sich damit vielleicht gegenüber solchen Möglichkeiten zu versperren – bewusst oder unbewusst.
Das Interview führte Daniela Schaefer, Online-Redakteurin