Viele Persönlichkeiten. Zwei Standorte. Eine BO.

ingenhoven architects | „Darf es etwas mehr sein?- Der Mehrwert und Mehraufwand der BIM-Methode“ | BIM Bier+Brezeln digital | 11. Mai 2021


Viele Unternehmen heben den Mehrwert der BIM Methode für die zukünftige Planung, Umsetzung und den Betrieb von Bauprojekten hervor. Allerdings geht dieses Versprechen mit großen Startproblemen, Herausforderungen und Kosten einher. Von der Erwartung bis hin zur Umsetzung erleben Architekturbüros in der Berufspraxis einen Mehrwert der BIM Methode, für welchen der Mehraufwand und der resultierende Nutzen deutlich kommuniziert werden muss.

„Wenn ich einen Mehraufwand erzeuge, muss der Mehrwert sichtbar sein.“ so Nils Lindhorst in seinem Vortrag. „Wie werden diese Vorteile generiert und wer ist dafür zuständig?“. Es ist wichtig, dass bereits vorab entsprechende Anwendungsfälle definiert werden, da viele Bereiche – aber noch nicht alle - digitalisiert werden können. Die Anwendungsmöglichkeiten von BIM sind vielfältig und der Einsatz der Methode ist auf jedes Bauprojekt bedarfsgerecht anzupassen, so etwa nach der Art der Bauaufgabe, den Zielen des Bauherrn, nach den Vorteilen für die Planungsbeteiligten und den Planungsphasen: Die BIM Methode muss zu dem Bauprojekt passen und der Mehraufwand begründet sein. Die Anwendungsfälle, die sich dabei ergeben, sind noch nicht standardisiert, es herrschen unterschiedliche Auffassungen und Verantwortlichkeiten. Bereits mit der Idee des Bauvorhabens muss der Bauherr beraten werden und im Team ein gemeinsames Verständnis zum Leistungsumfang der BIM Planung vorliegen.

Herr Lindhorst stellt in diesem Zusammenhang die BIM Allianz vor, welche sich u.a. mit einem System zur Zuordnung der Anwendungsfälle zur HOAI befasst, sich mit der Thematik von Verträgen und rechtlichen Fragen beschäftigt und Arbeitshilfen für Architekten im BIM Prozess entwickelt.

Anhand von zwei BIM-Fallbeispielen, zeigt Herr Lindhorst überzeugende Anwendungsfälle für die BIM Methode, betont aber immer wieder das Abwägen und Prüfen des Aufwands gegenüber dem Mehrwert im Projekt. Die Erstellung eines BIM Modells erfordert aktuell einen Mehraufwand von ca. 30 %, was u.a. auf das Zeichnen in 3D und das Erstellen neuer Bauteile für die Modellierung zurückzuführen ist. In dem ersten Fallbeispiel wurden Gebäudetechnik und Statik in das Modell integriert und das Modell für Visualisierungszwecke verwendet. Die Planung verlief kollisionsfrei. Anhand des Modells konnte eine geometrische Prüfung der komplexen Gebäudegeometrie erfolgen. Darüber hinaus wurde das Modell für statische Berechnungen genutzt. Ebenfalls wurde die Fabrikation verschiedener Teile, wie beispielsweise Dübel, Bolzen und Ankerlöcher auf Grundlage der Planung am Modell realisiert.

Im Allgemeinen profitiert der Planer bei der Erbringung der eigenen Grundleistung, wie z.B. bei der Entwurfskontrolle, Mengenermittlung, oder Flächenermittlung. Der Bauherr profitiert von der Qualitätssicherung des Bauvorhabens, die ausführenden Firmen vom ungestörten Bauablauf. Einen wesentlichen Grundstein dafür bildet die zentrale Datenhaltung am Modell. Zu den Anwendungsfällen spricht sich Herr Lindhorst dafür aus, dass lediglich solche als Grundleistung definiert sein sollen, die den Planer unterstützen, z.B. interne Entwurfskontrollen. Möchte der Bauherr zu seinem Zweck in die Arbeitsabläufe eingreifen, sind das Mehraufwendungen. Der Architekt schuldet im eigentlichen Sinn nicht das BIM Modell, sondern nur den Weg dahin.

Als Abschluss des Vortrags gibt Herr Lindhorst einen Einblick in die gelebte Nachhaltigkeit mit Hilfe von BIM anhand des zweiten Fallbeispiels. Die Überlegung galt, zu Beginn der Planung Ansprüche an Nachhaltigkeitskonzepte zu stellen und ein Gebäude als Rohstoffspeicher durch seine Recyclingfähigkeit zu betrachten. Als Beispiele führt Herr Lindhorst an, dass der Bodenbelag nicht geklebt werden muss, um ihn rückstandslos und einfach wieder entfernen zu können, oder dass Teile nicht mit Schrauben, sondern mit Steckverbindungen montiert werden können. „Wenn man bei der Planung darauf achtet, so hat das Gebäude, auch wenn es kurz vor dem Abriss steht, immer noch einen Wert.“ so Lindhorst. Mit Hilfe des Modells ist bekannt, wo Aluminium, Holz oder anderes Material recycelt werden kann. Über Abfragen am Modell können z.B. alle Bauteile einer bestimmten Betonart, welche sich zum Recycling eignet, ausgegeben werden. Nils Lindhorst stellt in diesem Zusammenhang den „Building Circularity Passport“ vor, ein Dokument, welches auf Grundlage des Modells erstellt wird und graphisch aufbereitete Informationen über den CO2-Footprint, die Demontierbarkeit von Teilen, die Trennbarkeit von Materialen uvm. angibt.

Q & A

Q: Welche Erfahrungen haben Sie mit Normen?

A: Die Normen treffen nicht immer die deutsche Planungskultur und sind somit nur bedingt verwendbar, da sie hierarchisch von oben nach unten detailliert und angepasst werden müssen.

Q: Öffentliche Auftraggeber sind nicht bereit, mehr für BIM zu zahlen. Wenn der Bauherr sagt, er zahlt nichts extra, würden Sie auch den Auftrag verzichten, oder auf BIM?

A: Der Bund ist einer der größten Auftraggeber. Bei der Vergabe habe ich keine Wahl zu verhandeln und auf BIM zu verzichten. Wir würden BIM trotzdem anwenden und haben ebenfalls Projekte in denen BIM nicht gefordert, aber von uns angewendet wird, um Mitarbeitende zu schulen und Standards und Vorgaben zu festigen.

Q: Ist es sinnvoll Normierungen weiter voranzutreiben? Auftraggeber haben andere Anforderungen wie beispielsweise die TGA und Arbeitsaufwendungen sollen reduziert werden.

A: Ich brauche ein Papier auf dem steht, was wie geht. Größten Teils sind es Vertreter aus der freien Wirtschaft mit eigenen Interessen und Verbände mit eigenen Standards, die sich durch Standards und Normierungen einen Geschäftsvorteil erhoffen. VDI-Normen und DIN-Normen können beantragt werden - wenn es keine Einwände gibt und der Inhalt schlüssig ist, wird die Norm verabschiedet. Hier setzt die BIM Allianz an.

Es gibt zudem keine Lobby für Planer - für die Architekten. Wir benötigen keine Normen, eher eine Hilfe in Form von Anhaltspunkten.

Q: Wann soll in den Dialog mit der Tragwerksplanung eingestiegen werden?

A: In Phase 2 und 3 erfolgen die größten Änderungen. Anschließend erfolgt die Einbindung Planungsbegleitend, da beispielsweise Mengen aus dem Modell abgeleitet werden können. Die ausführenden Firmen können ab Leistungsphase 8 dazu stoßen.

Q: Thema Tragwerksplanung mit BIM und Nachhaltigkeit: Hat das Modell geholfen bei dem Thema Nachhaltigkeit, Oberflächen einen Schritt größer zu denken, in Form von Tragwerksoptimierung in Varianten? Vielleicht kann hier ein Tragarm gekürzt werden, um Material zu sparen und die Alternativen dem Auftraggeber vorschlagen. Oder geht es hier eher um den Wettbewerb?

A: In einem der Fallbeispiele wurde mit Hilfe des Statikers eine Optimierung durchgeführt. Es wurden aus solchen Überlegungen heraus auch das Tragwerk abgeändert.

Q: Wann ist der richtige Zeitpunkt in einem Projekt, um in BIM einzusteigen? Wäre es sinnvoll erst ab Leistungsphase 5 das BIM Modell aufzubauen?

A: Leistungsphase 5 ist zu spät. Es gibt bereits in Leistungsphase 3 einen Mehrwert, den man aus dem Modell ziehen kann. Zwischen den LP 2 und 3 sollte das BIM Modell aufgebaut werden. Kollisionsprüfungen sind bereits in Phase 3 durchführbar. Man sollte aber darauf achten, dass man in LP 3 nicht in zu großer Detailtiefe modelliert. Die Planung kann auch mit 2D-Zeichnungen ergänzt werden. Zwar wird im BIM Programm gearbeitet, aber trotzdem noch Pläne für die Teilplanungen in 2D abgeleitet.

Q: BIM an der Hochschule – gibt es ein kreatives Potential der BIM Methode? Beziehungsweise, da in den Architekturbüros eher die Angst besteht, dass ggf. durch Funktionseinschränkungen neuer Programme die gestalterische Vielfalt verloren geht, wie kann man das BIM Modell als Werkzeug in der Lehre einsetzen?

A: Die Möglichkeit des räumlichen Erlebnisses der Entwürfe sind gerade durch VR-Brillen hervorzuheben und in der Entwurfskontrolle von Nutzen: Wie sind die Lichtverhältnisse? Stimmen die Proportionen? Es liegen hier viele Vorteile auf der Hand, beispielsweise die Kommunikation unter den verschiedenen Disziplinen. In der Hochschule arbeiten früh unterschiedliche Fachrichtungen zusammen und tauschen sich aus, was ein Verständnis für die anderen Gewerke fördert.

Q: Die Architektenlandschaft ist in Deutschland sehr speziell - Richtung kleine Büros. Wie sehen Sie das Thema BIM für kleine Büros?

A: Schon damals sind bei dem Umstieg von Handzeichnungen auf CAD viele kleinere Büros kaputt gegangen. Jetzt, bei der nicht aufzuhaltenden BIM Methode, müssen sich die kleineren Büros darauf vorbereiten. Der Umstieg wird nicht so plötzlich kommen, dass er nicht umzusetzen ist. Größere Büros bieten zudem Hilfen an, kleinere Büros zu beraten. Der Wille muss da sein, sich BIM anzueignen. Die Einführung erfolgt vielleicht nicht in dem Rahmen, wie in größeren Büros (Standards, Schulungen), allerdings in kleineren Schritten und umsetzbar. In der BIM Allianz sind ebenfalls kleinere Büros vertreten.