Drahtler Architekten | „Pilotprojekt NRW: BIM-basierter Bauantrag“ | BIM Bier+Brezeln digital | 14. Juni 2022


Wie gestaltet sich die Nutzung von BIM im Bauantragsverfahren? Hierfür zeigt Tina Drahtler Einblicke in die Zukunft des Bauantrags und den neuen Stellwert für die Verwaltung von Daten.

Rendering des Pilotprojekts für den BIM-basierten Bauantrag: Der Neubau in Dortmund umfasst ein Bürogebäude sowie eine Montagehalle inkl. Stellplätzen. Fertiggestellt wurde das Projekt im Frühjahr 2022. (Abbildung zur Verfügung gestellt von Drahtler Architekten)

Das Projekt, welches sich mit dem BIM-basierten Bauantrag beschäftigt, baut auf dem vorangegangenen Forschungsprojekt zum BIM-basierten Bauantrag auf, das sich mit der nahtlosen Integration von BIM in das behördliche Bauantragsverfahren beschäftigt hat. Das Pilotprojekt des BIM-basierten Bauantrags wurde im Frühjahr 2022 fertiggestellt und ist in Dortmund angesiedelt. Es umfasst den Neubau eines Bürogebäudes sowie einer Montagehalle inkl. Stellplätzen. Beteiligt waren neben der Ruhr-Universität Bochum, der Stadt Dortmund sowie weiterer Partner ebenfalls das Land Nordrhein-Westfalen, da der Antrag normalerweise im Papierformat eingereicht werden und hier Unterstützung auf Landesebene gewährleistet sein musste.

Frau Drahtler stellt den bisherigen, PDF-basierten Ablauf des Bauantrag vor: Architekt*in holt sich über eine Schnittstelle die zur Durchführung des Planungsprozesses benötigten Daten, wie z.B. den Bebauungsplan. Hierbei wird mittles des PDF gearbeitet. Die Dokumente werden über eine Plattform eingereicht und die Behörden geben über eine Kommunikationsschnittelle Rückmeldung. Das Forschungsprojekt hat sich mit der Abänderung und Optimierung dieses Verfahrens durch Einzug der BIM Methode beschäftigt. In Zukunft soll Architekt*in anhand eines dreidimensionalen Modells über das IFC-Format Formulardaten extrahieren und Geometrien weitergegeben. Ebenfalls soll die Kommunikation mit den Behörden über das BCF-Format erfolgen. Die Prüfung soll somit nicht an dem PDF-Dokument, sondern anhand der IFC Datei bei der Behörde durchgeführt werden. Um die von der Behörde benötigten Informationen in der IFC-Datei einheitlich übermitteln zu können, wurde in dem Projekt eine Modellierungsrichtlinie entwickelt. Angaben, die bisher dem PDF-Bauantrag entnommen werden, müssen nun in dem Modell festgehalten werden, wie z.B. Verortung und georeferenzierte Lage, Geschosse, Nutzungseinheiten, Brutto-Grundfläche, versiegelte Flächen, Zufahrten, etc. Somit wurde das Modell um folgende Informationen ergänzt:

  • Verortung: Über den Koordinationspunkt muss eine georeferenzierte Lage des Modells vorliegen.
  • Grundstück: Die Topographie muss vollständig modelliert sein. In der IFC-Datei liegt es auf der Strukturebene ifcsite inklusive der Attribute zu Flur, Flurstück und Gemarkung.
  • Gebäude: Das Gebäude liegt auf der Strukturebene ifcbuilding, inklusive der allgemeinen Informationen zu Art des Gebäudes, Gebäudeklasse, Sonderbau etc.
  • Bruttoraumfläche BGF / BRI, Nutzungseinheiten: Angewendet wir die Flächenberechnung nach DIN und am Modell über Räume definiert. Unterschieden wird zudem nach Regelfall und Sonderfall. Des Weiteren werden pro Geschoss die BGF-Räume ebenfalls unterteilt, sodass die Summe aller BGF-Räume eines Geschosses die Gesamt-BGF eines Geschosses abbildet. Dadurch können Nutzungseinheiten, Brandabschnitte und Raumabschnitte hinterlegt werden.
  • Nettoraumfläche NRF: Die Nettoraumflächen sind ebenfalls im Modell enthalten, inklusive Angaben zum Brandschutz, oder Informationen zur Stellplatzsatzung.

Während der Modellierung und im weiteren Projektverlauf, berichtet Frau Drahtler, hat sich eine Vielzahl an Attributen ergeben, die an bestimmten Bauteilen hinterlegt werden müssen, um beispielsweise Abfragen, oder regelbasierte Prüfungen durchführen zu können und für den BIM-basierten Bauantrag notwendig sind. Anhand entsprechend hinterlegter Attribute können beispielsweise tragende Elemente, oder Fluchtwege modellbasiert geprüft werden. Die Umsetzung verfolgte das Ziel, möglichst viele Bauvorlagen automatisch prüfen zu können. Dafür wurden zusätzlich zur Erweiterung des Informationsgehalts des Modells Formulare erstellt und hinterlegt, wie z.B. für die Baubeschreibung (Strukturebene ifcbuilding), oder Betriebsbeschreibung (Strukturebene ifczone). Zudem wurde die eigene Bürostruktur im Prozess übersetzt: Welche Informationen benötigt meine Firma im Planungsprozess und wie können diese allgemein am Modell für alle einheitlich festgehalten werden? Anhand eines Datenmanagers, welcher die Zuordnung von Feldern ermöglichte, konnten die für den BIM-basierten Bauantrag benötigten Informationen in einer Datenbank festgehalten werden. Die Vision ist es, diese Vorgabesätze zum Download und Import den Nutzern bereitstellen zu können, damit Zuordnung und Organisation automatisch übernommen werden.

Die herkömmliche Einreichung des Antrags erfolgt über das Hauptportal NRW. Da allerdings noch technische Lücken vorlagen, wurde der Antrag über eine Plattform der Stadt Dortmund hochgeladen. Nach einer Vereinbarung mit dem Ministerium, musste das Bauantragsformular als PDF eingereicht werden, da eine Registrierung im Bauportal NRW noch nicht möglich war. Insgesamt wurden folgende Daten eingereicht:

PDF IFC BCF
Bauantragsformular Gebäudemodell Bauordnungsrechtliche Abweichungen
Vollmacht zum Bauantrag Außenanlagenmodell Planungsrechtliche Befreiungen
Statistikbogen NRW Bestandsgeländemodell  
Lageplan zum Bauantrag inkl. Berechnungen Lüftungsgesuch  
Brandschutzkonzept (textlicher Teil)    
Standsicherheitsnachweis    
Wärmeschutznachweis    
Schallschutznachweis    
Entwässerungsgesuch    

Die anschließende Prüfung des Antrags erfolgt mit Hilfe einer Prüfsoftware, wo IFC-Modelle und BCF-Files eingeladen werden können. Planungsrechtliche Befreiungen können direkt am Modell bzw. mit Beschreibungen und anhand festgelegter Ansichten und hinterlegten Plänen eingesehen werden. Zusätzlich werden Auswertungstabellen als Prüfinstrument festgelegt. Neben der regelbasierten Prüfung erleichtert auch die optische Prüfung die Bearbeitung des Bauantrags. Visuell kann beispielsweise dargestellt werden, welches Bauteil welche Brandschutzanforderungen hat. Klassische Raumlisten sind ebenfalls hinterlegt sowie tragende Bauteile, oder Stellplätze etc.

Frau Drahtler berichtet, dass die Prüfung von baurechtlichen Parametern aus dem Bauplanungsrecht (z.B. Geschossflächenzahl, Grundflächenzahl, oder aus dem Bauordnungsrecht beispielsweise Flächenberechnungen und Brandschutzqualitäten) gut verlief. Nicht bzw. schwer prüfbare Sachverhalte traten ebenfalls auf, wie beispielsweise die Überschreitung der Baulinie an einer Stelle. Da noch keine digitalen, vektorisierten Bebauungspläne vorlagen, konnte die laut Bauplanungsrecht überbaubare Grundstücksfläche in Form von Baugrenzen und Baulinien nicht digital geprüft werden. Ebenfalls spricht Frau Drahtler die Verhältnismäßigkeit, beispielsweise bei Ortssatzungen, wie dem Bebauungsplan, an. Was muss im Modell letztendlich dargestellt werden und wofür reicht das PDF? Wo hilft das Modell und wo ist es „zu viel des Guten“? Zur Untersuchung der Abstandsflächen wurden viele Versuche unternommen, allerdings ist das Projekt hier an seine Kapazitäten gestoßen. Frau Drahtler verweist auf das hohe Forschungspotential in diesem Bereich. Daher wurde der Lageplan zur Prüfung der Abstandsflächen im PDF eingereicht. Die anschließende Genehmigung erfolgt normalerweise nach Bauordnung NRW in Schriftform. Durch eine Verwaltungsvorschrift der elektronischen Kommunikation mittels einer qualifizierten elektronischen Signatur konnte die Genehmigung allerdings digital erfolgen und mit der Baumaßnahme begonnen werden.

Ebenfalls untersucht wurden zwei Varianten zur Rohbauabnahme. Mittels Augmented Reality konnte vor Ort eine direkte Überlagerung von Realität und IFC-Modell erfolgen und die Kommunikation direkt per BCF erfolgen, was neben der einfachen Handhabung ein Plus für die Methode ist. Leider ist die Verortung noch nicht vollumfänglich ausgereift, sodass es vor Ort oft zu großen Abweichungen zwischen Modell und Realität kommt. Die andere Variante beinhaltet das Aufmaß des Rohbaus via Handscanner. Anschließend erfolgt eine Überlagerung des Modells mit der Punktwolke. Hervorzuheben ist hier ebenfalls die schnelle Handhabung sowie die komplette Dokumentation des Rohbaus als Aufmaß, allerdings ist der Aufwand zur späteren Nachbearbeitung immens. Für die Abnahme relevante, sicherheitstechnische Einrichtungen sind zwar am Modell darstellbar, allerdings ist das Modell an sich in den aktuellen Abläufen nicht relevant: Zur modellbasierten Abnahme fehlen derzeit noch das Know-how sowie die technische Ausstattung. Die Endabnahme, ob Brandmeldeanlagen, Sprinkler, Beschilderungen etc. vorhanden sind, erfolgte klassisch vor Ort anhand einer Checkliste.

Frau Drahtler sieht im Gesamtfazit eine Vielzahl an positiven Aspekten und Erkenntnissen, die für den BIM-basierten Bauantrag sprechen sowie Herausforderungen und Notwendigkeiten, die zur Etablierung dieser Art des Verfahrens anzugehen sind. Ein Ziel ist es, die Behörden zu entlasten und eine Beschleunigung des Verfahrens herbeizuführen, was in dem Pilotprojekt realisiert werden konnte. Die digitale Kommunikation lief sehr gut, Prüfungsworkflows wurden verbessert und durch die frühzeitige Einbindung der Fachplanungen zu einer deutlichen Bausicherheit beigetragen werden. Die allgemeine Prüfung wurde durch die 3D-Darstellung erleichtert und durch die digitale Planung und Abgabe konnte unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit ein deutlich reduzierter Papierverbrauch erreicht werden. Als Herausforderungen führt Frau Drahtler die fehlenden rechtlichen Grundlagen und notwendigen Anpassungen, beispielsweise in der HOAI, an. Weitere Untersuchungen sind ebenfalls in Bereichen der regelbasierten Prüfung notwendig, da beispielsweise baurechtliche Prüfungen nicht vollumfänglich abbildbar sind. Außerdem sind einige Rechtslagen zu komplex, teilweise auch Auslegungsbedarf und daher nicht modellbasiert prüfbar. Zudem müssen Fragestellungen bezüglich der Einbindung aller am Planungsprozess Beteiligten beantwortet werden, da noch nicht alle BIM-fähig sind. Als zukünftige Notwendigkeiten führt Frau Drahtler neben der rechtlichen Grundlage zudem eine verbindliche Modellierungsrichtlinie auf, Attributsets und Prüfregeln, die zum Download bereitgestellt werden und richtet den Blick in die Zukunft hin zu BIM-fähigen Bauportalen und zur Anpassung der HOAI.

 

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Q & A

Q & A

Q: Nach nun erstmaliger Durchführung und der Erarbeitung vieler Prozesse: Wie sieht der Benefit für kommende Projekte aus? Sind die bisherigen Ergebnisse in anderen Projekten anwendbar?

A: Wir haben nun erste Strukturen. Die Idee, dass wir weniger Aufwand durch den BIM-basierten Bauantrag haben, wäre somit schon angegangen, auch durch das Herunterladen von Formularen und Datasets. Die angelegten Formulare und Datasets sind auf andere Projekte anwendbar.

Q: Sie sagten, dass einige Baupläne zur Einreichung bei Notar oder Bank notwendig waren. Könnten hier bereits erstellte Pläne der LP 5 verwendet werden?

A: Es wurden Pläne für LP 5 erstellt, da auch nicht alle beteiligten Firmen über IFC kommunizieren konnten. Allerdings waren die Pläne zu detailliert, daher mussten neue Pläne mit anderem Informationsgehalt generiert werden.

Q: Werden die Tools, die innerhalb dieser Projekte entstanden sind, weiterverwendet und -entwickelt?

A:  Es wurden Empfehlungen zur weiteren Vorgehensweise gegeben, allerdings liegen die weiteren Schritte nicht in unserer Hand, da der BIM-basierte Bauantrag Ländersache ist.

Q: Lediglich der Lageplan wurde aufgrund der Abstandsflächen als PDF eingereicht. Wo genau lag die Schwierigkeit?

A: Geprüft wird der höchstgelegene Aufenthaltsraum über der mittleren Wandhöhe. Die Schwierigkeit hier war die in alle Richtungen stark abfallende Topografie. Die Information konnte hinterlegt werden, allerdings war die automatisierte Prüfung, ob die Abstandsflächen eingehalten wurden, nicht umsetzbar.

Q: Wie sind die Anforderungen an die geometrische Richtigkeit bei einer Rohbauabnahme?

A: Die Toleranzen hängen mit der Verortung zusammen. Hier ist der Laserscanner zuverlässiger als AR-Systeme. Bei der Rohbauabnahme werden von Hand Hauptmaße überprüft, also relative Maße innerhalb eines Raums und nicht übergreifende, das ganze Gebäude betreffende Maße. Die Prüfung erfolgt Punktwolke gegen das Modell.

Q:  Wo sehen Sie zukunftspotential am BIM-basierten Bauantrag, z.B. hinsichtlich der Nachhaltigkeit?

A: Am Modell könnten bei der Endabnahme Informationen zum Material hinterlegt sein, um das Thema der Nachhaltigkeit abbilden zu können, die somit bei der Stadt hinterlegt sind. Die Frage ist immer, wie realisiert man so etwas? Diese Anforderungen gibt es aktuell nach Bauordnung nicht. Hier fehlt eine Gesetzesgrundlage, die so etwas fordert.

Q: Zum Blick in die Zukunft: Ab wann ist der BIM-basierte Bauantrag schätzungsweise Alltag?

A: Wenn es nur an uns Planern und Softwareherstellern liegen würde, wäre eine schnelle Realisierung möglich. Allerdings kann ich über die Zeitspanne zur Realisierung seitens der Regierung keine Einschätzung treffen. Außerdem müssen die Kommunen, klein wie groß, bei diesem Thema informiert und geschult sein. Die Einrichtung von Soft- und Hardwareinfrastruktur ist in öffentlichen Einrichtungen ebenfalls sehr langwierig. Die Regelsätze zur Prüfung müssen von der Regierung bereitgestellt werden. Der Wille ist da und es tut sich einiges, allerdings kann hier keine Prognose abgegeben werden.

Q: Nach erfolgter Genehmigung und anschließender Änderungen geht die Signatur verloren. Betrifft das nur genehmigungsrelevante Anforderungen? Wie verhält es sich mit genehmigungsrelevanten Änderungen in der Ausführungsphase?

A: Wir haben von der Behörde einen Datei-Container in Form einer ZIP-Datei mit allen Dokumenten (IFCs, BCFs, Formulare…) zurückbekommen, der mit einer Signatur versehen wurde. Zum Öffnen musste der Container auflöst werden. Nach erhaltener Genehmigung kann anfangen werden zu bauen. In der Ausführung entstehende Änderungen müssen als Nachtrag erneut beim Bauordnungsamt eingereicht werden und man erhält einen neuen Container mit Signatur.

Q: Was würden Sie anderen Planenden empfehlen, wenn noch keinerlei Erfahrungen mit BIM vorliegen?

A: Schritt für Schritt und ein Thema nach dem anderen. Zunächst sollte die eigene Bürostruktur so aufgesetzt werden, um Prozesse digital abzubilden, ohne direkt an BIM zu denken. Anschließend ist es viel leichter, die Infos digital in eine IFC zu schreiben. Außerdem sollte mit einem kleinen Projekt anfangen werden, mit lediglich einem Fachplaner, um den Austausch zu testen und Erfahrungen zu sammeln.

Q: Welche Dateigröße hat so ein Antrag und wie oft werden die Daten hin- und hergeschickt?

A: Der Antrag wird eigentlich einmal versendet, wenn der Antrag an die Behörde gestellt wird. Die Dateigröße betrug 150 MB (Gesamtmodell inkl. Gelände).

Q: Gibt es Ansätze zur langfristigen Archivierung?

A: Ja, dieser Punkt war Teil des Forschungsprojekts.

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