Carbon Sequestration @ NRW - Klimaschutz vor der Haustür
Warum jetzt handeln?
Die Verbrennung von fossilen Brennstoffen, Rodung von Wäldern, industrielle Landwirtschaft und viele weitere anthropogene Ursachen beschleunigen den lebensbedrohlichen Wandel des Weltklimas und die Entwicklung extremer Wetterereignisse. Bei wachsender Weltbevölkerung führen sinkende Erträge in der Landwirtschaft zu Problemen in der Lebensmittelversorgung. Unsere gesellschaftliche Aufgabe ist es, die fortschreitenden Auswirkungen des Klimawandels zu bremsen und aktiv Lösungsansätze zu erarbeiten. Das studentische Projekt CSEQ leistet dazu einen Beitrag.
Beteiligte und Projektziel
Seit 2019 arbeiten Studierende und Prof. Dr. Jan Paul Lindner an dem Forschungsziel, atmosphärischen Kohlenstoff in dauerhaften Strukturen zu binden – das Projekt Carbon Sequestration @ NRW, kurz CSEQ NRW entstand, inspiriert von der auf der UN-Klimakonferenz in Paris gegründeten 4-Promille-Initiative.
Das Forschungsvorhaben findet an der Hochschule Bochum und in der Umgebung statt, einer Region, geprägt durch den ehemaligen Bergbau. So kann Klimaschutz vor der Haustür auf Sequestrierungsflächen stattfinden. Sequestrierung, das heißt die dauerhafte Speicherung des atmosphärischem Treibhausgases CO2 in einem anderen Medium, wird durch Pyrolyse von Biomasse in Bioholzkohle erreicht. Diese wird anschließend in Böden eingebracht. Dadurch entstehen sogenannte „negative Emissionen“. Die Umsetzung erfolgt aktuell (Stand Sommersemester 2021) in Kooperation mit dem nahe der Hochschule gelegenen “Gemeinschaftsgarten Hof Bergmann e.V.” (Lageplan, Stand Mai 2021). Dort arbeiten die Studierenden mit den Besucher:innen und insbesondere dem Ansprechpartner vor Ort, Johannes Tangen, bei der Bewirtschaftung einer Testfläche zusammen.
Die konkreten Projektziele: Überprüfung der Speicherkapazität der Kohle und Identifizierung von Nebeneffekten der Kohle durch die Einbringung in den Boden. Bei der Analyse der Kohle und der Durchführung eines Freilandversuchs kooperiert das Projekt mit dem Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum.
Kontakt
Unter Pyrolyse versteht man die thermische Umwandlung chemischer Verbindungen durch hohe Temperaturen (200 - 900°C) unter anaeroben Bedingungen, das heißt ohne zusätzliche Sauerstoffzufuhr. Diese anaeroben Bedingungen verhindern den Verbrennungsprozess der Biomasse und sie verkohlt.
Für den Prozess muss die Biomasse, wie Äste, Blätter, Holzschnitzel, Nussschalen oder Mist, vor der Pyrolyse getrocknet werden. Anschließend werden die organischen Stoffe in einen Pyrolyseofen gegeben und entzündet. Dabei findet eine thermo-chemische Umwandlung statt. Die Produkte der Pyrolyse sind Gase, Flüssigkeiten und ein Feststoff – die Pflanzenkohle, das Zielprodukt des Projektes.
Um die Pflanzenkohle und ihre bodenverbessernden Eigenschaften im landwirtschaftlichen Bereich nutzen zu können, ist es wichtig, dass die Kohle „aufgeladen“ wird. Würde sie einfach so in die Erde eingearbeitet werden, würde dem Boden aufgrund der sehr porösen Oberfläche der Kohle Nährstoffe entzogen werden. Um dies zu verhindern, wird die Kohle mit Gülle, Mist oder anderen nährstoffreichen Substanzen versetzt. Die nun mit Nährstoffen aufgeladene Kohle kann in die Erde eingebracht werden und dient Pflanzen alsSpeicher für Wasser und Nährstoffe. Das Projekt erforscht auch das Pflanzenwachstum und die bodenverbessernden Eigenschaften der Pflanzenkohle.
Das Projekt startete im Sommersemester 2019 mit einem Team von 10 Studierenden. Die ersten Wochen beschäftigten sie und Prof. Lindner sich gemeinsam mit einer ausführlichen Recherche zu dem Verfahren der Kohlenstoffsequestrierung, bisherigen anderen Projekten, die sich bereits mit dem Thema befasst haben, mit verschieden Einsatzmöglichkeiten und möglichen Ansprechpartnern.
Das primäre Ziel in dieser Zeit bestand darin, sich mit dem Thema bekannt zu machen und die Projektziele zu definieren. Auch die Suche nach Versuchsflächen stand im Mittelpunkt. Ein großes Augenmerk lag auf Mooren und möglichen Wiederaufforstungsprojekten, welche eine langfristige CO2-Bindung ermöglichen sollen. Im Zuge dessen fand eine Exkursion zu einem Moor in Leverkusen Schlebusch statt. Die Idee der Sequestrierung von Kohlenstoff in Mooren wurde jedoch nach langer Recherche und aufgrund der Erfahrungen bei der Exkursion verworfen. Ausschlaggebend dafür waren unter anderem der große Zeitaufwand sowie hohe Emissionen bei dem Aufbau eines Moores. Die Möglichkeit eines Wiederaufforstungsprojekts für vorbelastete Brachflächen im Ruhrgebiet wurde ebenfalls in Folge neuer Erkenntnisse durch eine Forstexkursion und Gespräche mit Kommunen verworfen, da die Flächen anderen Nutzungen vorbehalten waren.
Für das Wintersemester 2019/2020 wurden die Ziele des Projekts neu definiert. Die Projektgruppe beschloss, dass das Verfahren der Pyrolyse in der Praxis getestet werden soll und im Zuge dessen wurde die Suche nach Versuchsflächen für eine Bepflanzung thematisiert. Hier kam zum ersten Mal eine Kooperation mit dem Hof Bergmann ins Gespräch. Auch in diesem Semester richteten sich die Aufgaben der ersten Wochen auf die Recherche zu den neu definierten Projektzielen und auf die Kontaktaufnahme zu möglichen Ansprech- bzw. Kooperationspartnern.
Die Kooperation mit dem “Gemeinschaftsgarten Hof Bergmann e.V.” als Versuchsfläche nahm zeitnah Gestalt an. Es ergaben sich neue Aufgaben, wie die Vorbereitung der Versuchsfläche, der Bau eines eigenen Pyrolyse-Ofens sowie die Auswahl der Bepflanzung. Diese konnten innerhalb des Semesters, nicht zuletzt durch den engagierten Beitrag von Johannes Tangen, umgesetzt werden und das Potenzial der Pyrolyse, Kohlenstoff in großer Menge zu binden und die Pflanzenkohle biologisch widerstandsfähiger zu machen wurden zum Kernthema des Projekts.
Um das Forschungsvorhaben wissenschaftlich zu untermauern, entstand eine Kooperation mit Martin Benz und dessen Promotionsprojekt zum Einsatz Rheinischer Braunkohle zur Bodenverbesserung am Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Gemeinsam wurde ein Freilandversuch entworfen, dessen Ziel es ist, neben der Sequestrierung von Kohlenstoff im Boden, den Einfluss von Pflanzenkohle auf die Bodenfruchtbarkeit, die Reduktion von Stickstoffverlusten und den landwirtschaftlichen Ertrag darzustellen. Im Herbst 2020 wurde auf einer Fläche von 180 m2 Kohle/Gülle Gemische in den Boden eingearbeitet. Seither wird die Fläche gemeinsam bewirtschaftet und Kulturen wie Sonnenblume angebaut. In regelmäßigen Abständen werden von unterschiedlich behandelten Teilparzellen Bodenproben entnommen und im Physisch-Geographischen Labor des Geographischen Instituts auf verschiedene Parameter der Bodenfruchtbarkeit analysiert. Es sollen somit Erkenntnisse gewonnen werden, inwiefern neben dem Klima auch die Landwirtschaft und Ökosysteme von der Kohlenstoffsequestrierung profitieren.
Das Sommersemester 2020 konzentrierte sich auf die Arbeit an der Testfläche des Hof Bergmann. Verzögert wurde diese Arbeit durch den Ausbruch der COVID-19-Pandemie und den damit einhergehenden behördlichen Auflagen. Das Team nutzte dies Zeit, um bürokratische Aufgaben für Genehmigungen und Förderungen zu erledigen.
Wichtige Schlagworte | Ihre Bedeutung |
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Kohlenstoffsenke | Langfristige Speicherung von Kohlenstoff, da ein Abbau durch Bodenorganismen nur geringfügig stattfindet Ca. ¼ des Kohlenstoffs aus der Biomasse kann dauerhaft gebunden werden |
Aufbau von Bodenqualität und -fruchtbarkeit | Verbesserung durch: Speicherung von Wasser und Nährstoffen für die Pflanzen, Puffer für den Boden-pH-Wert, Förderung des Humusaufbaus |
Verringerung von Bodenerosion | Verbesserung des Erosionswiderstands des Bodens durch Erhöhung des Humusgehalts |
Mikroorganismen | Schaffung von Lebensraum für Mikroorganismen |
Klimaresilienz | Erhöhte Wasserhaltefähigkeit ist widerstandsfähiger gegen extreme Wetterereignisse |
Werde Teil des Projekts!
Du möchtest Teil des Projekts sein? Mitmachen können alle Studierenden der HSBO!
Zusätzlich können Studierende der Studiengänge Nachhaltige Entwicklung (B.Sc.), Nachhaltige Entwicklung (M.Sc.)und Angewandte Nachhaltigkeit (M.Sc.) die Projektstudie bei CSEQ NRW absolvieren und wertvolle ECTS sammeln.
Wenn Ihr an dem Projekt teilnehmen möchtet, solltet Ihr euch für den theoretischen Hintergrund und die chemischen Grundlagen interessieren sowie euch aktiv, zum Beispiel bei der Herstellung von Pflanzenkohle, einbringen. Dabei werden jedes Semester sichtbare Ergebnisse erzielt. Durch euer Engagement könnt Ihr viel Einfluss auf die zukünftige Entwicklung des Projektes nehmen. Wer also Lust hat, sich die Hände schmutzig zu machen und an der zukünftigen Gestaltung des Projekts teilzunehmen, ist herzlich eingeladen!