Klischees und Fakten – Gendergerechtigkeit in Studium und Beruf

Immer wieder begegnen uns hartnäckige Klischees über Geschlecht, Fähigkeiten und Interessen. Hier zeigen wir, was wirklich dahintersteckt – mit Fakten, die zum Nachdenken anregen, und Studien, die das belegen.

„Männer sind einfach technikaffiner.“

Fakt:
Technisches Interesse ist keine Frage der Gene, sondern der Erfahrungen und Erwartungen. Studien zeigen, dass Jungen häufiger technikorientiertes Spielzeug erhalten und ihnen technische Fähigkeiten eher zugetraut werden – das prägt Interessen und Selbstbild. Wer gleiche Chancen will, muss gleiche Ermutigung geben.
Quelle:
Masterson, C. (2017): The Pink Paradox: Tensions in How STEM Toys Are Marketed Toward Girls. Proceedings of the American Society for Engineering Education.
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"Pflege liegt Frauen im Blut."

Fakt:
Empathie ist kein angeborenes Talent – sie entsteht durch Erziehung, Erfahrung und Übung. Studien zeigen: Rollenerwartungen prägen, wer als „einfühlsam“ wahrgenommen wird. Pflegeberufe brauchen Kompetenzen, keine Klischees.

Quelle:
Christov-Moore, L. et al. (2014): Empathy: Gender effects in brain and behavior. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 46(4), 604–627.
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„Mädchen sprechen einfach besser.“

Fakt:
Frühkindliche Sprachförderung hat Einfluss auf sprachliche Fähigkeiten – unabhängig vom Geschlecht. Leichte Unterschiede entstehen durch Umweltfaktoren und Erwartungen, nicht durch Biologie. Gute Förderung wirkt bei allen Kindern.
Quelle:
Brown, C. S., & Stone, E. A. (2016): Gender stereotypes and discrimination: How sexism impacts development., Advances in Child Development and Behavior, Band 50, S. 105–133.
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„Frauen fehlt die Nervenstärke für technische Berufe.“

Fakt:
Belastbarkeit und Durchhaltevermögen hängen vom Selbstvertrauen ab – nicht vom Geschlecht. Studien zu Selbstwirksamkeit und emotionaler Intelligenz zeigen: Frauen sind genauso belastbar, wenn sie faire Bedingungen und Unterstützung erfahren.
Quelle:
Boyatzis, R. E. (2018): The role of emotional intelligence in leadership development. Journal of Management Development, 37(6), 745–759.
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„Frauen wollen keine Karriere – sie wollen Familie.“

Fakt:
Die meisten Frauen möchten Beruf und Familie vereinbaren. Was Karrierechancen verhindert, sind meist strukturelle Hürden – etwa fehlende Betreuungsangebote oder stereotype Rollenbilder. Nicht der mangelnde Wille ist das Problem, sondern unfaire Rahmenbedingungen.
Quelle:
BMFSFJ – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2025): Vierter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung.
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„Männer sind durchsetzungsfähiger.“

Fakt:
Durchsetzungsfähigkeit ist erlernt, nicht angeboren. Jungen werden früh ermutigt, sich durchzusetzen, während Mädchen dabei oft als „unweiblich“ abgestempelt werden. Das prägt Verhalten und Selbstwahrnehmung bis ins Berufsleben hinein.
Quelle:
Eagly, A. H., & Karau, S. J. (2002): Role congruity theory of prejudice toward female leaders. Psychological Review, 109(3), 573–598.
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"Frauen studieren eher Soziales, weil sie empathischer sind."

Fakt:
Die Studienwahl wird stark von gesellschaftlichen Erwartungen beeinflusst – nicht von biologischen Unterschieden. Empathie ist eine Fähigkeit, die bei allen Menschen gefördert werden kann.

Quelle:
UNESCO (2017): Cracking the code: girls' and women's education in science, technology, engineering and mathematics (STEM)
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„Technik ist Männersache.“

Fakt:
Technik war nie allein eine Männerdomäne – Frauen wie Ada Lovelace haben entscheidende Beiträge geleistet. Dass Frauen in technischen Berufen heute unterrepräsentiert sind, liegt oft an fehlenden Vorbildern oder stereotypen Erwartungen.
Quelle:
Kim, E. & Toole, B. A. (1999): Ada and the First Computer. Scientific American.
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„Gendern nervt – Sprache soll neutral bleiben.“

Fakt:
Sprache prägt unser Denken: Wenn wir oft nur von „Studenten“ hören, denken viele primär an Männer. Geschlechtergerechte Formulierungen helfen, Vielfalt sichtbar zu machen und ein inklusiveres Miteinander zu fördern.
Quelle:
Stahlberg, D. & Sczesny, S. (2001): Gender representation in language and cognition. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 32(2), 76–89.
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„In Mathe sind Jungs einfach besser.“

Fakt:
Leistungstests zeigen kaum relevante Unterschiede in Mathematik – aber Geschlechterstereotype beeinflussen Selbstvertrauen und Leistungserwartungen. Wer glaubt, „Mathe ist nicht für mich“, schneidet tatsächlich schlechter ab – ein sich selbst erfüllender Effekt.
Quelle:
OECD (2023): PISA 2022 Results (Volume I): The State of Learning and Equity in Education.
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„Technische Studiengänge sind zu schwer für Frauen.“

Fakt:
Technik ist anspruchsvoll – das trifft auf alle zu. Wenn Frauen gleichberechtigt starten – mit Zugang, Ermutigung und Unterstützung – zeigen Studien: Sie bestehen genauso gut wie Männer.
Quelle:
Giofrè, D. et al. (2021): A population-level analysis of the gender gap in mathematics.
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„Männer sind logischer.“

Fakt:
Logisches Denken hängt nicht vom Geschlecht ab; es ist eine erlernbare Fähigkeit. Studien zeigen, dass Männer und Frauen in logischen Denkaufgaben ähnlich abschneiden, wenn beide gleiche Lernchancen haben.
Quelle:
Halpern, D. F. (2004). A cognitive‑process taxonomy for sex differences in cognitive abilities. Current Directions in Psychological Science, 13(4), 135–139.
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"Technische Studiengänge passen nicht zu Müttern."

Fakt:
Familienaufgaben und Studium lassen sich dann gut vereinbaren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen – unabhängig vom Fach. Es braucht flexible Studienmodelle, keine Rollenzuschreibungen.

Quelle:
BMBF - Bundesministerium für Bildung und Forschung (2013): Familienfreundlichkeit an deutschen Hochschulen. Schritt für Schritt.
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„Frauen interessieren sich einfach nicht für Informatik.“

Fakt:
Das Interesse an Informatik wächst, wenn Mädchen früh Zugang bekommen und Vorbilder sehen. Programme wie Coding-Clubs zeigen: Mädchen entwickeln genauso Leidenschaft, wenn sie ermutigt werden. Klischees beeinflussen, ob Mädchen überhaupt eine Chance bekommen.
Quelle:
García, E. et al. (2024): Girls in STEM: Insights and Recommendations for Future Programs. Journal of Applied Technical Education, 3(2), 146–160.
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"Männer passen nicht in soziale Berufe."

Fakt:
Männer bringen genauso wichtige Kompetenzen in soziale Berufe ein. Mehr Vielfalt stärkt Teams und ermöglicht eine bessere Ansprache verschiedener Zielgruppen. Geschlechterklischees schaden allen.

Quelle:
van Knippenberg, D., van Ginkel, W. P., & Homan, A. C. (2020). Synergy from diversity: Managing team diversity to enhance performance. Behavioral Science & Policy, 6(1), 69–80.
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„Frauen sind zu emotional für Führungspositionen.“

Fakt:
Emotionale Intelligenz (EI) ist keine Schwäche – sie ist eine Stärke. Forschungsarbeiten zeigen: Frauen nutzen EI, um Teams erfolgreich zu führen, Konflikte zu lösen und effektiv zu kommunizieren. Ein starkes Argument für vielfältige Skills in der Führung.
Quelle:
Chatterjee, M. (2025). A Study on Emotional Intelligence of Women Employees in Service Sector and their Leadership Abilities. International Journal for Multidisciplinary Research, 7(1), 1–24.
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„Männer verdienen mehr, weil sie besser verhandeln.“

Fakt:
Untersuchungen zeigen: Frauen verhandeln genauso oft – doch erhalten seltener ein positives Ergebnis. Häufig sind ihnen bei Verhandlungen Vorurteile oder Strafen ausgesetzt – ein Teil der Einkommenslücke entsteht so nicht durch mangelnde Verhandlungsbereitschaft, sondern durch unfaire Reaktionen.
Quelle:
Cortés, G., Kray, L. J. & Settele, R. (2022): Beliefs about the Gender Gap in Salary Negotiations.ifo Working Paper, No. 11228.
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„Jungen brauchen weniger Unterstützung.“

Fakt:
Auch Jungen erleben Leistungsdruck, Rollenerwartungen und psychische Belastungen. Studien zeigen, dass ihnen oft Unterstützung verwehrt wird, weil angenommen wird, sie kämen schon zurecht. Geschlechtergerechte Bildung bedeutet, alle zu fördern – nicht nur die Gruppe, die sichtbar benachteiligt scheint.
Quelle:
Harris, A. & Worth, S. (2016): Changing Patterns in Boys’ Education. UNGEI Discussion Paper.
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„Geschlecht spielt im Studium keine Rolle.“

Fakt:
Geschlecht beeinflusst Studienverhalten, Prüfungsdruck und Sichtbarkeit – auch wenn viele denken, Hochschule sei „neutral“. Forschungen zeigen: Frauen berichten häufiger von Diskriminierung und fühlen sich seltener gehört. Gleichstellung schafft faire Bedingungen für alle.
Quelle:
Ball, A. F. et al. (2015): Women and Gender Equality in Higher Education. Frontiers in Education, 5:10.
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"Gleichstellung ist kein Thema mehr – ist doch längst alles geregelt."

Fakt:
Gesetze allein reichen nicht. In Führung, Entlohnung, Vereinbarkeit und Repräsentation bestehen nach wie vor strukturelle Ungleichheiten. Gleichstellung bleibt eine Daueraufgabe.

Quelle:
BMFSFJ – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2025): Vierter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung.
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