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Straßen.NRW - Road2BIM | BIM Bier+Brezeln digital | 13. April 2021


Dass die Implementierung von BIM nicht immer reibungslos und nach Plan erfolgt, zeigt Katharina Schillack vom Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen in ihrem Vortrag „Straßen.NRW – Road2BIM“ und spricht neben den erzielten Erfolgen über Schwierigkeiten, Herausforderungen und Learnings.

Straßen.NRW gehört zum Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und beschäftigt rund 3.800 Mitarbeitende an ca. 70 Standorten. Betreut wird ein Streckennetz von fast 4.500 km Bundesstraßen, 13.000 km Landesstraßen sowie 1.000 km Kreisstraßen und 7.000 Brücken, Verkehrszeichen und Tunnel.

Derzeit wird BIM als Planungswerkzeug von Straßen.NRW in den Bereichen Planung und Entwurf angewendet. Das langfristige Ziel ist es, BIM in den Phasen Betrieb und Erhaltung anzuwenden, da diese Phasen zeitlich am längsten anhalten und für Straßen.NRW von großer Bedeutung sind.

Pilotprojekt – Erhaltungsentwurf A40

Frau Schillack gibt einen Einblick in die BIM-Implementierung bei Straßen.NRW, die nun seit vier Jahren intensiv vorangetrieben wird und verweist auf den 2015 veröffentlichten Stufenplan, der eine BIM-basierte Planung von Verkehrsinfrastrukturprojekten ab dem Jahr 2020 verpflichtend vorgibt. Das erste Pilotprojekt wurde bei Straßen.NRW im Jahr 2017 aufgenommen, um einen Einstieg in die BIM Methode zu erhalten und erste Erfahrungen mit BIM zu sammeln. Der Erhaltungsentwurf der A40 beinhaltete Teilaspekte der Bereiche Straßenbau, Landespflege und Brückenbau und wurde durch das BMVI gefördert und durch BIM4INFRA begleitet. Insgesamt umfasste die Sanierung 11 km Autobahn, drei Brückenersatzneubauten sowie die Errichtung von 8 barrierefrei zugänglichen Notrufsäulen. Aspekte der Landespflege, wie beispielsweise der Erhalt des Lebensraums der Fledermaus, oder die Erhaltung des Baumbestandes entlang der Autobahn gehörten ebenfalls zu den Projektvorgaben. Für das Pilotprojekt waren verschiedene Anwendungsfälle geplant:

  • Bestandserfassung
  • Planungsvariantenuntersuchung
  • Bemessung und Nachweisführung (entfallen)
  • Koordination der Fachgewerke
  • Fortschrittskontrolle der Planung (entfallen)
  • Entwurfs- und Genehmigungspläne
  • Kostenschätzung und -berechnung
  • Leistungsverzeichnis, Ausschreibung und Vergabe

Auch wenn fehlende Standards die Anwendung von BIM in allen Bereichen erschweren, ermutigt Frau Schillack die Teilnehmenden dazu, trotzdem mit BIM anzufangen: falls die Umsetzung eines Anwendungsfall jetzt noch nicht funktioniert, kann es später noch einmal versucht werden. Von den insgesamt acht Anwendungsfällen wurden während des Projekts aufgrund der Nichtrealisierbarkeit zwei Anwendungsfälle gestrichen.

Im Weiteren geht Frau Schillack im Rahmen der Vorstellung des ersten Pilotprojekts auf das Datenhandling der Bestandsdaten ein: Die Bestandserfassung der Bauwerke erfolgte per Laserscann von einem externen Unternehmen. Die Scans wurden auf einer Festplatte übergeben und konnten, aufgrund der enormen Datenmenge, nur schwer weiterverarbeitet werden. Straßen.NRW hat die hieraus resultierende Konsequenz mitgenommen: In Zukunft werden die Aufnahmen in Teilabschnitte getrennt, um das spätere Handling zu erleichtern.

BIM Best-User

Im Laufe des Projekts wurde Mitte 2018 die Anforderung gestellt, BIM-Ansprechpartner aus allen Fachbereichen (konstruktiver Ingenieurbau, Straßenbau, Straßenplanung) in den Niederlassungen zu haben. Diese „BIM Best-User“ sind erste Ansprechpartner für die Mitarbeiter vor Ort und das BIM-Bindeglied zwischen dem Betriebssitz und der Niederlassung. Frau Schillack betont die dafür benötigte, mitzubringende Geduld: Mitarbeitern muss Zeit gegeben werden, sich in das Thema einzuarbeiten.

Als Herausforderung der BIM-Implementierung gibt Frau Schillack die interne sowie externe Wissensweitergabe an und schlägt die Ausarbeitung eines Organigramms aller BIM-Beteiligten sowie eines Projekt-Guides vor: Bei Straßen.NRW wird ein interner Leitfaden mit notwendigem Grundlagengewissen geführt und in Form eines Arbeitsdokuments immer wieder aktualisiert und ergänzt. Ebenso hat Straßen.NRW für den internen Gebrauch eigene Vorlagen für AIA und BAP entwickelt. Durch BIM hat sich eine Aufwandsverlagerung ergeben, was anschaulich im MacLeamy-Diagramm zusammengefasst wird: Die eine Abteilung hat einen deutlichen Mehraufwand, die andere Abteilung profitiert davon - es muss deutlich kommuniziert werden, wo die Vorteile der Methode liegen.

Äußere Einflüsse

2019 folgten weitere Pilotprojekte in jeder Region. Da der Brückenbau auf Regionsebene organisiert ist, erfolgte pro Region ein Pilotprojekt im konstruktiven Bereich. Es wurden bewusst kleinere Projekte ohne politischen und zeitlichen Druck zum Üben gewählt. Diese Kriterien der Projektwahl beschreibt Frau Schillack als nicht optimal: Durch den fehlenden Zeitdruck wurden andere Projekte vorgezogen und Mitarbeitende an anderen Stellen beschäftigt, die zeitlich Vorrang hatten. Ein weiteres Problem entstand durch die damaligen internen Umstrukturierungen in Form von Personalwechseln. Mehrere Pilotprojekte mussten liegen gelassen werden und wurden zu einem späteren Zeitpunkt mit einem neu aufgestellten Team erneut angegangen. Zudem verließen Anfang 2021 über 2000 Mitarbeitende das Unternehmen im Zuge der Reform der Bundesfernstraßenverwaltung und es wechselten eine Vielzahl an Projektmitarbeitenden zur Autobahn GmbH. Durch die von nun an bei der Autobahn GmbH verwalteten Autobahnen, sind insgesamt drei Pilotprojekte weggefallen sowie die Hälfte der BIM Best-User.

Stabsstelle BIM

Um die BIM Implementierung bei Straßen.NRW strategisch besser auszustellen, wurde im Jahr 2019 eine Stelle geschaffen, die sich ausschließlich mit BIM befasst. Frau Schillack beschreibt Ihre Stellenbesetzung mit einer intensiven Einarbeitungszeit von ca. sechs Monaten. Die Stellenbesetzung führte zur Bildung eines interdisziplinären Teams. Durch die Vielfältigkeit von BIM und das breitgefächerte, benötigte Wissen, ist man auf Fachexperten angewiesen. Das Team besteht u.a. aus Personen der Bereiche Straßenplanung, konstruktiver Ingenieurbau, Bau/Vertrag, Geoinformationssysteme und Vermessung. Da die Einbringung im Bereich BIM derzeit auf freiwilliger Basis beruht, ist eine Freistellung von anderen Aufgaben nicht möglich. Das Befassen mit BIM erfolgt on top, parallel zum normalen Arbeitspensum. Trotz der unbefriedigenden Umstände zieht Frau Schillack trotzdem Vorteile aus der Situation: Die Beteiligten bringen wertvolles Wissen aus den Fachabteilungen ein, da sie nah an den Themen dran sind.

Projektbegleitung

Projekte werden mit gemeinsamen Kick-Off-Terminen zur Vorstellung aller Beteiligten und des Projektguides sowie zur Definition von sinnvollen Anwendungsfällen und zur Klärung von Fragen gestartet. Normalerweise arbeitet jede Niederlassung allein, hier erfolgt allerdings eine strategische Begleitung. Durch die über den kompletten Zeitraum anhaltende Projektbegleitung und regelmäßige Austauschtermine, kann Wissen aus bereits laufenden Projekten in neue Pilotprojekte transferiert werden.

Interne Schulung der Mitarbeitenden

Die intensive Beschäftigung mit BIM zahlt sich aus: Der Begriff BIM ist mittlerweile in den Niederlassungen bekannt, das Interesse der Mitarbeitenden an BIM wächst und eine Steigerung der Motivation ist zu vernehmen. In den vergangenen drei Jahren erfolgten bereits erste Grundlagen- und Softwareschulungen für BIM Best-User. Im April 2021 startet ein internes Fortbildungsangebot zu BIM, was einen neuen Meilenstein in der BIM Implementierung bei Straßen.NRW darstellt. In der Basisschulung werden u.a. die Methodik an sich, die Ziele und die wesentlichen Veränderungen im Projektablauf vermittelt. Die Schulung befindet sich aktuell in der Testphase und richtet sich an alle Mitarbeitenden mit Interesse an BIM. Die Aufbauschulung richtet sich an Beteiligte in BIM Projekten sowie Best-User und behandelt u.a. die Vertragsgestaltung mit BIM, das Rollenverständnis, den Projektaufbau sowie Kosten und Termine. Die Testphase ist bis Ende 2021 geplant. Darüber hinaus sind Softwareschulungen und ein Planspiel an einem konkreten Projekt geplant, um beispielsweise Wissen in den Bereichen AIA und BAP zu vermitteln und die Anwendung einer CDE zu erproben.

Ausblick

Die Implementierung von BIM ist nichts, was man nebenbei macht. Es muss einen Ansprechpartner geben. Ebenso müssen sich die Führungskräfte des Unternehmens mit BIM beschäftigen und die Einführung der BIM Methode unterstützen. Zudem ist ein Tipp zum Gelingen der BIM Methode die richtige Reihenfolge: Zuerst sollten motivierte Mitarbeitende im Team sein und anschließend Pilotprojekte gestartet werden. Als große Hürde und nächsten Schritt sieht Frau Schillack die Einführung einer gemeinsamen, cloudbasierten Datenumgebung, welche aufgrund sicherheitstechnischer Bedenken seitens der IT und der geringen Erfahrung noch nicht erfolgt ist. Straßen.NRW wird weiterhin in der Anwendung und Implementierung von BIM im Gesamtlebenszyklus voranschreiten und BIM von der Planung in die Ausführung bringen. Zudem sollen weitere Schulungen eingeführt, die Implementierungstiefe von BIM in den bisherigen Phasen gesteigert und BIM mit seinen Vorteilen zum Alltag gemacht werden.

Q & A

Q: Wie kommentieren Sie den Stufenplan mit dem Ziel, BIM ab 2020 verbindlich umzusetzen?

A: Da man nun bereits rückblickend auf dieses Ziel schauen kann, kann ich sagen, dass man die Implementierung von BIM unterschätzt hat. Man dachte, die BIM-Implementierung würde schneller gehen. Als 2015 der Stufenplan veröffentlicht wurde, waren die Probleme nicht überschaubar, aber wir sind auf einem guten Weg - der Stufenplan war ein wichtiger Schritt. Es ist nicht realistisch, dass aktuell jedes Projekt mit BIM geplant wird - bei uns wird nicht jedes neue Projekt mit BIM realisiert, ebenso wenig in Hamburg. Die Stadt ist viel weiter als die meisten Bundesländer und plant ebenfalls nicht jedes Projekt mit BIM. Wir haben aber positive Rückmeldungen aus den Pilotprojekten. Die Leute, die mit BIM arbeiten, möchten auch in Zukunft mit BIM arbeiten.

Q: Was wünschen Sie sich an zukünftigen Kompetenzen für die Ausbildung?

A: Das BIM-Grundwissen und -Verständnis muss vermittelt werden. Primär das Verständnis, warum wir diese Methode anwenden. Wenn das „Warum“ klar ist, ist auch eine größere Motivation vorhanden.

Q: Wir arbeiten mit Revit, nicht mit Allplan. Für wie wichtig halten Sie die Wahl eines speziellen Werkzeugs?

A: Aktuell ist es noch wichtig, welche Software verwendet wird, aber wenn man den BIM-Gedanken weiterverfolgt, wird es hoffentlich irgendwann unwichtig werden. Wir lassen uns ebenfalls Daten in nativen Formaten übergeben, nicht nur in offenen Austauschformaten.

Q: Wie sind die Erfahrungen in der Anfangszeit des interdisziplinären Ansatzes bei Straßen.NRW?

A: Die Anfangszeit ist für mich schwer zu beurteilen, da ich erst zwei Jahre nach dem Start des ersten Pilotprojekts zu Straßen.NRW gekommen bin und sich erste Mitarbeitende bereits engagiert haben. Ich bin auf breites Interesse gestoßen, als ein regelmäßiger Austausch von mir vorgeschlagen wurde und habe sehr gute Erfahrungen gemacht und positive Rückmeldungen erhalten.

Q: Wie weit sind Sie mit VR und AR? Machen Sie damit Modellbetrachtungen, oder nehmen Sie damit auch Änderungen am Modell vor?

A: Wir haben in diesem Bereich keine Erfahrungen, da wir noch nichts mit BIM praktizieren, was sich dem Bau nähert. Wir hatten noch keinen Anwendungsfall, wo wir den Mehrwehrt von VR und AR gesehen haben und auch noch keine Überlegungen in diese Richtung.

Q: Autobahn GmbH, Straßenbauverwaltungen… Gibt es einen übergeordneten Plan, damit man nicht in jedem Bundesland was anderes macht? Durch die Autobahn GmbH hat man die Chance, von vornherein etwas übergeordnetes aufzusetzen.

A: Da es überall Berührungspunkte gibt, erfolgt ein Austausch u.a. in der Bundländerdienstbesprechung. Es existiert eine Lenkungsgruppe BIM, die sich mit Themen rund um die BIM-Implementierung beschäftigt, mit insgesamt sieben Projektgruppen, u.a. bezüglich Objektkatalogen, Anwendungsfällen, IT, Rechtsfragen, BIM-Grundsätze etc. In diesen Projektgruppen sind, je nach Interesse, die Straßenbauverwaltungen der Bundesländer vertreten.

 Q: Stehen die Leitfäden von Straßen.NRW öffentlich zur Verfügung?

A: Nein, aktuell handelt es sich um interne Dokumente. Allerdings gibt es Überlegungen, das in Zukunft zu ändern und das Gesamtwerk bzw. einzelne Teile zu veröffentlichen.

Q: Ist Straßen.NRW bei buildingSMART aktiv?

A: Nein, Straßen.NRW ist nicht bei buildingSMART vertreten.